Die Welt ist nicht digital, sie war es nie und wird es aller Wahrscheinlichkeit auch niemals sein. Das Einzige, was Gefahr läuft digitalisiert zu werden, ist der Mensch, sein Denken, sein Bewusstsein und demnach SEINE subjektive Wahrnehmung der Welt.

Niemand würde auf die Idee kommen, einen echten Wald, ein echtes Lebewesen, einen echten Ozean für digital zu halten (unabhängig davon dass es mittlerweile die jeweilige digitale Entsprechung dieser Phänomene gibt).

Die natürlichen Erscheinungen und Voraussetzungen für das Bestehen dieser Welt gehorchen gänzlich anderen Prinzipien als jenen einer digitalen Verrechnung. Die natürliche (was vielerorts schon als Schimpfwort aufgefasst wird) Welt und ihre Erscheinungen sind organisch, lebendig, interdependent, resonanzfähig, evolutiv, transformativ, transzendent und immer eingebunden in ein kosmologoisches Energienetz.

Sie bestehen als intelligente Systeme von sich heraus und bedürfen keiner externen Energiezufuhr. Die sogenannte „digitale Welt“ hingegen ist ein rein künstliches Produkt. Es ist eine konstruierte Realität die im besten Fall als detailgetreue Kopie der realen Welt fungieren, sie aber niemals ablösen oder ersetzen kann. Die digitale Welt kann die Erscheinungen der echten Welt zwar imitieren, sie kann aber aus sich heraus keine Wahrnehmungsresonaz erzeugen und fällt sprichwörtlich in sich zusammen, sobald man ihr den Stecker oder Akku zieht. Die natürliche Welt gehorcht einer selbst-schöpferischen Dynamik und kümmert sich nicht um digitale Beschleunigung, Laptopklassen, Datenexplosionen, etc…

Einzig die künstlich konstruierte, digitalisierte Welt des Menschen hat sich in ihrer eigenen Illusion verfangen und Regelwerke geschaffen, denen der Mensch nun ohne erkennbaren Sinn nachhechelt.

Erstaunlich dabei ist, dass im Grunde kindliche Spielereien wie Smartphones und soziale Netzwerke mittlerweile auf unser Existenz-, Politik- und Bildungsverständnis rückwirken, anstatt davon kritisch reflektiert zu werden.

Was sagt das über unser Bewusstsein aus? Heißt „Medienkompetenz“, dass man von der Schule aus keine Massen-Emails verschickt und weiß welche sozialen Netzwerke gerade gefragt sind? Oder heißt es auch, über das Suchtpotential digitaler Medien Bescheid zu wissen, über die Gefahr, jede soziale Kompetenz einzubüßen, sprichwörtlich die Orientierung innerhalb der wirklichen und vollständigen Welt zu verlieren, um dann seinen Körper über digitale Wegweiser und Zurufe von A nach B diktieren zu lassen. Oder inwieweit hören wir von positiven Beispielen, die vor allem junge Menschen inspirieren könnten, die sinnvollen Aspekte des Internets und digitaler Möglichkeiten zu nutzen?

Der Mensch hat es zuwege gebracht, sich dem eigenen System zu unterwerfen.

Fortan steht er/sie unter dem Diktat der digitalen und somit unnachgiebigen Zeit, der fortwährenden Innovationen, des nie Ankommens an einem Punkt der wahren und tiefen Erkennntis. Verstrickt und verloren in Bits und Bytes, in digitale Gespräche, in virtuelle Ansprüche und permanente updates – von denen niemand mehr weiß wer sie eigentlich vorgibt – taumelt er um seine eigenen Erfindungen und verkündet hochmütig die Welt sei digital, virtuell, global vernetzt und beschleunigt. Die Rückkoppelung hat längst stattgefunden vom Medium zur Realität.

Wir sind nicht mehr diejenigen die bestimmen in welchem Tempo, in welchem Maß, in welcher Sinnhaftigkeit und Angemessenheit die Dinge sich entwickeln und wir sie gebrauchen. Nein, wir lassen uns bestimmen – und das noch dazu ganz freiwillig.

Wir willigen ein in eine digitale Welt, die uns immer weiter abzieht von uns selbst und ein künstliches Angebot erschaffen hat, das uns vorgaukelt real zu sein und sich dabei gleichzeitig jeder realen, lebendigen Erfahrung immer weiter entzieht.

Was macht es für einen Sinn immer digitaler zu werden, anstatt menschlicher?

Hier geht es nicht um das Ablehnen digitaler Erscheinungen, sondern um ihre richtige Platzierung. Das Digitale ist ein Aspekt unserer Welt und noch dazu ein sehr kleiner, vorausgesetzt man ist noch in der Lage das Ganze zu betrachten und sich als Teil des Ganzen zu begreifen. Jedoch bläht sie sich mittlerweile so weit auf, dass wir tatsächlich Gefahr laufen, die digitale Welt für das Ganze zu halten und ihr den Rest unterzuordnen.

Warum nutzen wir das Digitale nicht als Werkzeug, anstatt uns von ihm tyrannisieren zu lassen und unser Bewusstsein soweit zu opfern, bis wir uns ganz dem Digitalen anverwandelt haben? Soweit bis keine eigene Reflexion mehr möglich ist, keine Vision, keine Wahrhaftigkeit, kein Mut, kein echter Wille, sondern nur noch das stupide, resignative Nachlaufen einer virtuellen Illusion, die wir selbst erschaffen haben.

Im Zen-Buddhismus gibt es den sinnbildlichen Spruch man solle den Finger der zum Mond zeigt, nicht mit dem Mond verwechseln. Nichts anderes haben wir mittlerweile zuwege gebracht. Das was uns als Mittel dienen sollte, beginnen wir mit dem zu verwechseln was wir sind.

Nicht mehr der Mensch zeigt auf das Digitale sondern das Digitale zeigt auf den Menschen.

Und was macht die Welt? Sie dreht sich wie eh und je weiter, verändert ihr Tempo nicht, sieht im Grunde unberührt zu, wie hier eine Spezies am Werk ist, die sich so weit entfremdet hat, dass sie ihre eigene Wahrnehmung freiwillig in den Müllsack der digitalen Verarbeitung steckt um sie dann von dort in leeren unzusammenhängenden Brückstücken wieder mühsam hervorzusuchen – bar jeder Erfahrung, die es heißt als Mensch mit Körper, Geist und Seele bewusst und jetzt am Leben zu sein.

Text: Ramon Pachernegg

Bildnachweis: Wege zum Selbst | Ramon Pachernegg

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